Montagsklappe

jede Woche neu –

intelligente Gedanken zur Zeit oder Unzeit – oder ….

von Madeleine Weishaupt


»Mut zum Wagnis und die Befähigung zur Passion« Lothar Klünner

liebe leserin # lieber leser gelangten sie angenehm in den herbstgenuss des spätsommerlichen aufblühens? ich, ja – ausgekostet geschmeckt fabuliert –

avec malheur et chaleur (mit charme und melone)

frau w. am grab ihres mannes angetroffen. sie zählte die laubblätter, die zwischen den blumen lagen. eines tages, sagte sie, wird niemand mehr die herbstblätter zählen.

unsere herbstblätter auf unserem grab. der stein rollt siphysos entgegen in einer festung des schweigens sammelt sich die hoffnung erbittet ist sie und der anstoss zur klage wird zum anlass genommen den ersten stein zu heben vielleicht auch den zweiten –

das wäre freundlicher das papier, dünnknittrig, raschelt beim durchlesen meiner notizen. du hast geschrieben, dich verschrieben, gestrichen ist gestrichen (auch die küchenwände) – funkstille und funkruhe in der truhe ist abgelegtes (es raschelt im stroh) zeichne landschaften und suche nach den verlorenen dingen der kopf verkopft sich & klopft zum schluchzen in die schluchten hinab du erinnerst dich des vielen [vielen] möchte täte [vielen] vielen & zögerst doch das doch heraus & in den gesängen sind die verlorenen worte (wie gewonnen so zerronnen) die scherben aufgekehrt gebrochenes glück verschoben (über den küchenboden) komm wieder & wir graben die gruben graben wir tief [tiefer] & trinken wein (aus alten schläuchen) und in der truhe ist abgelegtes ist funkmeldung und buschfunk (in den gelben schatten flirren unzählige mücken) hüte dich zu glauben (was du hörst) verpuppe deine hirngespinste

in seide (re:bündig) der würfel würfelt den würfel & die wälder sind tief die seen die flüsse die abgründe herz(:seite) ebenfalls vertieft in die gelben schatten (_schächte)

grund gütig (gutmütig) verzagtes lächeln & nach den mücken schauend (hauend) zwei drei (ein brei) zählst fingerbreit (fünf) die hand zur wange (der schlange)

du gütiger grund glaube glaube (hoffnung) gegen die schwarze seele (tauschgeschäft) & alles nehmend dem hamster (im rad) gelegt das feindbild (funkbild_puzzle) auf waage gut & böse (erlöse) du gütiger grund (sagst)

ich könnte wenn ich wollte (sollte) den streit vom zaune brechen (aus gefälligkeit) wie du mir so ich dir (übereins) grund gütig sei eines in haltung (gehalftert)

in haltung meiner seel grund gütig (sie sei)

herrn w. am grab seiner frau angetroffen.

er zählte die laubblätter, die zwischen den blumen lagen. eines tages, sagte er, wird niemand mehr die herbstblätter zählen. unsere herbstblätter auf unserem grab.

liebe leserin # lieber leser gelangen sie weiter angenehm durch den herbstgenuss des spähjahreszeitlichem abblühens. m.w


liebe leserinnen, liebe leser

wie sie wissen, bin ich eine wortfreundin, eine wortzerklauberin und -klauberin (gut, ich gebe zu, manchmal auch eine wortverhauerin), eine wortästhetikerin (oh, da greif ich jetzt vielleicht zu hoch), eine zum worthinhörerin, eine wortschmeckerin – ach, einfach eine, die mit dem wort den worten das zungentanzbein schwingt, die mit dem wort den worten akrobatik im kopf vollführt oder umgekehrt und sich vergnügen kann, wenn sie diese spricht und hört und hört und spricht und und und und …. auch mal darauf hinweist, hoppla vorsicht hoppla lustig hoppla – verstehe ich nicht.

 

so manches an worten ist mir in den letzten wochen zu ohr gelangt – aufgehorcht, aufgeschreckt. die auffälligkeiten, das aufgeschnappte, notiert und in einem werk zusammengefasst. es sind nicht alle in dem sinne zu wort gelangt.

vielleicht sehe ich das falsch, aber gerade was das C betrifft, mei, was da teils gesprochen wird, wie – mir stehen meine locken gerade zu berge. leute, was redet ihr so faselig? aber voll daneben. oder auch anmoderationen zu radiobeirägen – erschreckend, dass selbst bei „solchen leuten“ die wortwahl, die sprechweise eine ist, die bei mir die berüchtigten sirenen anläuten lassen. du meine güte, sie sollten sich mal selber hören, gute frau guter mann …. ja, ich sag teils auch, das ging nun aber unter die formwortanständige gürtellinie, mein lieber schwan.

und dann gibt es worte, da staune ich nur noch. mei, wer das erfunden hat …. der person gehört eine medaille ausgestellt, so lustig, so gut, so schön, so interessant – oder: da muss man sich ja erst mal durch die buchstaben fuseln, ehe man das wort versteht, ehe man es aussprechen kann. oh hilf meiner zunge, meinem verstehen ….

 

mit gruss – mit gruß

ja, auch das wort mit diesem buchstaben ß ist so ein thema für sich – kommentarlos heute.

mit grüssen mit grüßen

m.w.

anti-bügelfalte : dem stabilem daseins begegnen : stressgeübt : wehrkraftzersetzung : machtverfall : volksempfänger : latenzzeit : unterschritten : neuronale plastizität : hippocampus : erosion der rationalität : territorium : handumdrehen : authentisch : legalistischen islamismus : up and go : erhaltungszuchtprogramm : grandseigneur : chilloutecke : jahrhundertkampf : gegenwertig : french open : verhältnismässigkeit : leitmedium : bräunungscreme : assoziationsmacht von wachstum : überwältigungsästhetik : vielschichtigkeit : sanfte debakel : kontraproduktiv : einheitsbrei : fulminant : jahresbankett : gesprächmethoden : der katechontische imperativ : unterminiert : erosion der rationalität : braunkohlerevier : stumpfer winkel : angestossen : sterbehilfe : mischpoke : zettelhöhle : luftwaffenhelferin : transatlantik-abkommen : uneinnehmbar : verwertungshemmnis : the radius of a circle is the length of the line from the center to any point on its edgesymbiose : vom tod her gedacht : innenwelt : anthrazit : verlautbaren : angeglichen : schaffensnotwendig : neuübersetzung : gesundheitsfundamentalismus : historisierung : abfassung : permafrostboden : seitenabruf : kostenintensiv : monolog : fuck off : maxime : staubniederschlag : bare münze : bruderkuss : ausgeschüttet : partikel : street-art : schnäppchen und schnippchen : wettervorhersage : leistungsspektrum : flexionstabellen : vorlauf : classic style : exportverbot : selbstmontage : putzfee : knallkörper : hyperfeinstrukturniveaus : windkanal : rettungssysteme : woiwodschaften : aufmüpfig : hitzewallung : blütenfülle : verfassungsorgan : wachstumsziel : bildungsgerechtigkeit : autonation : schneefallwahrscheinlichkeit : spitzensport : halbmesser : bilderbuchfamilie : kulturlandschaft : erscheinungsdatum : vetternwirtschaft : zweitliega-aufsteiger : resilienz : please feel free to contact our customer service at all timesproduktverantwortung : infektionsepidemiologie : bildungsformat : zweckverband : sammelpunkt : präventionskurs : kampagne : wunderheilung : vorsorgevollmacht : finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz : unbesiegbar: begriffsursprung : flüssigseife : leitfaden : maustaste : raumduft : zentralorgan : pünktlichkeit : schwachpunkt : mitspracherecht : die zunehmende fragilität : demonstrativpronomen : vergleichsverfahren : weltumwelttag : kaufschlager : kapraziös : wankelmut : lastschrifteinzug : urteilsvermögen : handicap : newsabo : otto normal verbraucher : neurose : debattenrundschau : bullshit : working moms : urheberrechtsreform : monitoring : gespiegelt : populationsmanagement : im fortgeschrittenen alter : entkolonisierte klassik : kosmopolitisch : selbstgerecht : exclusion : modische rhetorik : geniekult : fernost : krautreporter : cyber-angriffe : explizit : dangerous minds in a easy-listening-coverversionüberoperierte privatversicherte : omnipräsent : digitalisierung : suspensiveffekt : klassenerhalt : wenn mafiosi schweizerdeutsch sprechen : workflow :klima-lockdown : auf vordermann bringen : halluzinatorisch begabter weltvermesser : monopolistisch : interessensbekundung : diversität und chancengleichheit : kreationsbeitrag : eigendynamik : flexibilität : lumpensammlerin : atomenergieagentur : altersvorsorge : no limits : architektonisch : perforation : erinnerungsverantwortung für die gegenwart : event security : zukunftsversprechen : übersterblichkeit : unterernährung : briefing : dünnhäutig : gutscheinaktion : hemdsärmlig : finanzspritze : moosgrün : verkehrstauglich : hysterie : twitterfeed : intervention : ehrenrunde : lebenssatt : schmerzgedächtnis : kirchenasyl : landschafts-empathie : die dimensionen der unschärfe : bräunungscrème : unangreifbar :


 

liebe lesende

das leben – ach, manchmal schon ein irrwitz an ereignissen. oder ein wahnwitz. oder ein aberwitz.

vom irrwitz spreche ich, schrieb ich in einem nachgedanken an ludwig fels, ein nürnberger schriftsteller, der vor meiner zeit nach wien zog und dort nun verstorben ist – just veröffentlichte er seinen gedichtband im ars vivendi verlag cadolzburg, dou di ned o

da bin ich mal gespannt

bestellte das buch, erhielt es

erhielt die nachricht, ludwig fels ist gestorben, just die tage

m.w.

glaubst du an gott? lieber ludwig. glaubst du? weisst du, wenn man in den himmel kommt, glaubt man dann an gott? ich frage das, weil ich es gerne wissen möchte. vielleicht könnte ich dann leichter glauben, jetzt, heute, nachdem ich erfahren habe, dass du gestorben bist. ist das ein irrwitz

vergangene woche – welcher tag war es? – erhielt ich deinen lyrikband vom verlag zugeschickt. do di ned o nennst du ihn. übersetze ich es richtig? tu dich nicht so stell dich nicht so an sei nicht so sei nicht so zimperlich – oder weiss ich was

und diese woche – ich war noch stutzig geworden über s. antwort, dass sich das ja nun erübrigt hätte – ich verstand nicht, ich verstand überhaupt nicht. was hat sich erübrigt? ist das ein irrwitz


ich muss noch etwas anfügen – vergass es zu erwähnen

dass ich ihn auch mal zu einem gespräch traf, als er zu einer lesung hier in n. war, anfang 2011 war das.

dazu gibt es u. a. ein podcast interview wie eine lesung auf kubiss.de, dem städtischen bildungs- und kulturserver.

„Egal, wo das Ende der Welt liegt“

Mit Nachdruck schreibt Ludwig Fels seine Gedichte. Die Gelegenheit, in zehn, zwanzig, dreißig Zeilen zu sagen, was Herz und Kopf bewegt, was an Überwältigung jeder Art, an Enttäuschung und Zorn, aber auch an Liebe in diese Zeilen hineinwill, diese Gelegenheit ergreift Fels immer wieder, als ginge es nicht anders. Und so viel lässt sich wahrlich sagen: Es geht diesem Autor tatsächlich um etwas, es ist ihm nicht gleichgültig, wie das Leben mit sich selber umgeht, also mit uns. Er hat den Traum von einer besseren, menschlicheren Welt auch im kritischen Hellwach-Sein noch nicht verloren. Ludwig Fels ist ein leidenschaftlicher Dichter, der seine Wünsche und Hoffnungen auch von allen üblen Erfahrungen, die er nicht verleugnet, nicht begraben lässt. Er verfolgt sie, so lang und so weit es geht – „egal, wo das Ende der Welt liegt“.


Ludwig Fels war Schriftsteller

Ludwig Fels, der aus einer kleinbürgerlichen Familie stammte und ohne Vater aufwuchs, begann nach dem Besuch der Volksschule eine Malerlehre, die er jedoch abbrach. Ab 1964 war er in verschiedenen Hilfs- und Gelegenheitsjobs tätig, u. a. als Arbeiter in einer Brauerei, Maschinist sowie Stanzer. 1970 zog er nach Nürnberg, wo er als Packer in einer Halbleiterfabrik arbeitete. Er war kurzzeitig Mitglied im „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“. Ab 1973 war Fels freier Schriftsteller. In diesem Jahr veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband „Anläufe“. Nach weiteren Prosabänden und Lyriksammlungen folgte 1975 sein erster Roman „Die Sünden der Armut“.[2] Fels war ab 1981 Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Im Jahr 1983 verlegte er seinen Wohnsitz nach Wien. Neben erzählenden Werken und Lyrik verfasste er auch Theaterstücke und Hörspiele.

In jüngeren Jahren verstand sich Fels als „Arbeiterschriftsteller“, ohne dass er sich einer bestimmten ideologischen Richtung hätte zurechnen lassen. Seine oft auch aggressive, sprachgewaltige Prosa und Lyrik war vielmehr bestimmt von Wut und Zorn über Unterdrückung in jeglicher Form sowie über die Strukturen der Unterdrückung bestimmter Schichten der Gesellschaft. Die Literaturkritik bezeichnete ihn auch als „Proletenschriftsteller“. Später lehnte Fels die Bezeichnung „Arbeiterschriftsteller“ für sich ab.

Ludwig Fels starb nach einer schweren Krankheit im Januar 2021 im Alter von 74 Jahren in Wien.